Bild: Jens Schulze

Drei Fragen an Gerhard Wegner

29. September 2025

Interview zur Kampagne "Shalom, Digga" mit Prof. Dr. Gerhard Wegner, Landesbeauftragter gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens

Warum haben Sie die Kampagne „Shalom Digga“ gestartet?

Nachdem wir in 2024 bereits im großen Stil über die sozialen Netzwerke mittels Posts gegen den ansteigenden Judenhass allgemein vorgegangen sind (www.Niedersachsen-gegen-Antisemitismus.de),  richtet sich "Shalom Digga" nun gezielt an jüngere Menschen über TikTok und Instagram. Denn gerade unter ihnen steigt die Bereitschaft an, antisemitische Äußerungen weiter zu tragen. In manchen Kreisen scheint es cool zu sein, sich abwertend über Juden zu äußern. Und dies geschieht gerade auf den beiden Netzwerken. Da wollen wir deutlich dagegenhalten. Dazu werden jede Woche 3 Posts und kurze Filme eingestellt, auf denen klare Äußerungen zu antisemitischen Sprüchen gemacht und Informationen über jüdisches Leben gegeben werden. Unsere mehr als 70 Partnerorganisationen sind zudem gebeten, selbst diese Posts weiterzugeben und sich für diese Kampagne zu outen. So erreichen wir eine große Reichweite und beeinflussen direkt, was junge Menschen empfinden. Neben Prävention durch Bildung und Repression durch polizeiliche Maßnahmen bauen wir so Interventionen gegen Judenhass auf.
Hier geht es zur Kampagne bei Instagram: https://www.instagram.com/shalom.digga/  und bei Tiktok:  https://www.tiktok.com/shalom.digga

Weshalb ist das „Nein zu Judenhass“ gerade an Schulen wichtig?

Meine Erfahrungen aus den letzten Jahren belegen, dass Judenhass an den Schulen immer wieder vorkommt. Am schlimmsten ist das dann, wenn jüdische Mitschüler*innen direkt beleidigt und ausgegrenzt werden. Mein Eindruck ist, dass jeder und jede von ihnen so etwas erleben kann, z.T. bis hin zu antisemitischem Mobbing. Lehrer und Schulleitungen schreiten ein, sind aber auch oft hilflos. Manchmal sind es auch nur Bemerkungen, die zwar nicht böse gemeint sind, aber dennoch beleidigend wirken, wie z.B. „Du siehst gar nicht aus wie ein Jude!“ wobei Juden so unterschiedlich aussehen, wie andere Deutsche auch. Wichtig wäre es, dass Mitschüler*innen aufstehen und sich in diesen Fällen solidarisieren. Dazu liefert unsere Kampagne Hilfestellungen und Argumentationen. 

Wie unterstützen Sie Lehrer*innen und Schüler*innen dabei, sich gegen Judenhass zu engagieren?

Es gibt mittlerweile viele Möglichkeiten, sich über pädagogische Maßnahmen gegen Antisemitismus zu informieren und zu qualifizieren. Insbesondere das niedersächsische Kultusministerium stellt hierzu eines bereit. In der Erwachsenenbildung werden Qualifizierungsangebote speziell für Lehrer*innen gemacht:  Perspektiven gegen Antisemitismus (vhs Celle) https://perspektiven-gegen-antisemitismus.de. Und das Neueste ist nun ab Oktober ein Zertifikatsstudium an den Niedersächsischen Universitäten gegen Antisemitismus: „Grundlagen der Antisemitismuskritischen Bildung im Kontext Schule“ (ZABIN), das sich bereits großer Nachfrage erfreut (zabin@uol.de). Darüber hinaus prämiert ein Gütesiegel „Zusammen gegen Antisemitismus“ Schulen, die sich besonders engagieren (https://bistum-osnabrueck.de/zusammen-gegen-antisemitismus-2/). Allerdings bisher leider nur für konfessionelle Schulen, aber es wird hoffentlich auf alle Schulen ausgedehnt werden. Gerne helfen auch wir – auch in Konfliktfällen - weiter.

©Helge Krückeberg