Bild: Peter Rütters

Theologin Ursula Rudnick spricht an der BBS Alfeld über Kirche und Judentum

25. November 2019

"Kirche und Judentum. Von der Lehre der Verachtung zu einer Theologie des Respekts".

Alfeld. Aktueller hätte das Thema für die Schüler der Berufsbildenden Schulen in Alfeld nicht sein können: Nach dem Anschlag von Halle und der Veröffentlichung einer Studie, wonach jeder vierte Deutsche antisemitisches Gedankengut hegt, sprach Prof. Dr. Ursula Rudnick am Mittwoch in der Vortragsreihe „BBS-Lectures“ über Kirche und Judentum. Schulpastor Dr. Matthias Günther hatte mit der Referentin eine ausgewiesene Expertin eingeladen, die 2018 für ihre besonderen Verdienste um den internationalen Dialog  der beiden Religionen in Amsterdam ausgezeichnet wurde.

Um die Ursachen des Antisemitismus zu verstehen, unternahm die Professorin der Leibniz Universität Hannover einen Streifzug durch die Geschichte, blickte fast 2000 Jahre zurück: In eine Zeit, in der das rabbinische Judentum und das entstehende Christentum das biblische Erbe jeweils für sich beanspruchten. Schon damals habe es erste Diffamierungen gegeben, die den Grundstein für eine über Jahrhunderte andauernde antijüdische Polemik legen sollten. Rudnick zitierte den Kirchenvater Augustin (334-430), der Juden zwar das Recht zubilligte, im christlichen Abendland zu leben - allerdings nur als Sklaven der Christen.

Selbst Martin Luther schrieb 1543 „von den Juden und ihren Lügen“, wies voller Häme auf die Pfarrkirche zu Wittenberg hin, an der ein Steinrelief noch heute einen Rabbiner zeigt, der einem Schwein in den After schaut: „Er kuckt mit großem Fleiß der Sau unter dem Pirtzel in den Talmud hinein, als wollt´ er etwas Scharfes und Sonderliches lesen und ersehen“, schrieb Luther.

Auch in der Kunstgeschichte zieht sich der Antisemitismus wie ein roter Faden durch die Jahrhunderte. Ob in Deutschland, Italien, Frankreich, Dänemark, Belgien oder der Schweiz: In etlichen Darstellungen von Ecclesia und Synagoga spielt der Vorwurf des Gottesmordes, der moralischen Ausschweifung und der Überlegenheit der Christen  gegenüber Juden eine zentrale Rolle.

Es sollte bis zum 19. Jahrhundert dauern, ehe der französische Historiker Jules Isaak von einer „Lehre der Verachtung“ sprach, doch erst nach dem Holocaust setzte sich laut Rudnick eine Theologie des Respekts durchs: „Die Kirche tritt nicht an die Stelle Israels, sondern neben Israel“, sagte die Professorin. Das zeige sich mittlerweile auch in zeitgenössischen Kunstwerken wie der Bronzeskulptur „Twins - Zwillinge“ des belgischen Bildhauers Johan Tahon vor dem Landeskirchenamt in Hannover, der Synagoga und Ecclesia gleichberechtigt und auf Augenhöhe dargestellt hat.

Ursula Rudnick wollte ihren Vortrag als Werbung für ein friedliches Miteinander verstanden wissen; Schulpastor Matthias Günther ergänzte, die Kirche sei zwar auf dem richtigen Weg, mahnte aber zur Wachsamkeit: „Aggression oder sogar offene Gewalt darf es nicht geben.“

Alfeld im November 2019

Apl. Prof. Dr. Ursula Rudnik
Pastorin und Referentin für Kirche und Judentum im Haus kirchlicher Dienste der ev.-luth. Landeskirche Hannovers
 

 

Dr. Ursula Rudnik mit Dr. Matthias Günther,
Schulpastor an den Berufsbildenden Schulen Alfeld (Leine) und außerplanmäßiger Professor für Evangelische Theologie und Religionspädagogik an der Leibniz Universität Hannover